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„Hass war seine Triebfeder“ – Dr. Jan Schönfelder über Rechtsextremist Udo Albrecht

Von 22. September 2023Keine Kommentare
Lesezeit: 3 Minuten

Auf Einladung der Point Alpha Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung Politisches Bildungsforum Thüringen berichtete der MDR-Journalist Dr. Jan Schönfelder vor gut 30 Zuhörern im Haus auf der Grenze über den Rechtsextremisten Udo Albrecht. Obwohl die Geschichte des glühenden Antisemiten und Israelfeindes das Zeug zum Polit-Thriller hat, kennen heute nur die wenigsten seinen Lebensweg. Dabei lässt sich anhand Albrechts Leben auch viel über die Beziehungen der beiden deutschen Staaten während des Kalten Krieges lernen.

Zu Beginn hatte Jan Ludwig Antoni als Vertreter der Point Alpha Stiftung die Zuhörer begrüßt.

Zu Beginn hatte Jan Ludwig Antoni als Vertreter der Point Alpha Stiftung die Zuhörer begrüßt.

In einer Mischung aus Lesung aus seinem Buch „Feindbild Israel“ und ergänzendem Vortrag erläuterte Dr. Schönfelder, wie es Albrecht Zeit seines Lebens immer wieder gelang, den Strafverfolgungsbehörden zu entkommen. Als Jugendlicher flüchtete er nach Westdeutschland und geriet schnell auf die schiefe Bahn. Verdingte er sich anfangs noch als Kleinkrimineller, folgten wenig später schwerere Vergehen und damit längere Haftstrafen. Doch nicht von ungefähr war Albrecht bald als „Ausbrecherkönig“ bekannt: Insgesamt achtmal entkam der Rechtsextremist aus Gefangenschaft. Als prägendes Ereignis stellte Dr. Schönfelder einen JVA-Aufenthalt in den 1960er Jahren heraus. Im Gefängnis traf er auf Alt-Nazis, die dazu beitrugen, dass sich sein Weltbild weiter radikalisierte. Für Albrecht waren Juden und der Staat Israel zum neuen Feindbild, „der Hass war seine Triebfeder“ geworden.

Tillmann Bauer vom Politischen Bildungsforum Thüringen der Konard Adenauer Stiftung übernahm die Einführung des Referenten.

Tillmann Bauer vom Politischen Bildungsforum Thüringen der Konard Adenauer Stiftung übernahm die Einführung des Referenten.

Albrecht knüpfte in der Folge Kontakte zu militanten Palästinensern und reiste in den Nahen Osten. Dort „bewährte“ er sich als Organisator und stieg zum geschätzten Partner auf, erhielt sogar direkten Zugang zu PLO-Chef Jassir Arafat. Zugleich betätigte er sich in Westdeutschland weiterhin als Krimineller und Schmuggler, legte versteckte Waffendepots an und nahm verschiedene Identitäten an, um der Strafverfolgung zu entgehen. Im Jordanischen Bürgerkrieg soll er schließlich aktiv auf Seiten palästinensischer Milizen gekämpft haben. Seine Nahost-Beziehungen pflegte Albrecht nicht zuletzt durch zahlreiche Treffen mit entsprechenden Repräsentanten in Ost-Berlin. In diesem Netzwerk waren seine Dienste hochgeschätzt.

Dem Ministerium für Staatssicherheit waren die Besuche Albrechts in der DDR nicht verborgen geblieben. Seine Aufenthalte erregten Aufmerksamkeit, weil die Motive des Mannes unklar schienen, die auch durch eine Befragung durch MfS-Mitarbeiter nicht zu enthüllen waren. Aus den vorliegenden Stasi-Akten gehe jedoch hervor, dass Albrecht Anwerbeversuche durch die Stasi abgelehnt habe, so Dr. Schönfelder. Genauso wenig erhärtete sich der Verdacht, dass Albrecht eventuell als Doppelagent fungierte.

Schließlich kam es zur letzten und spektakulärsten Flucht, nachdem Albrecht die bundesdeutschen Sicherheitskräfte mit einer List nahe an die Innerdeutsche Grenze geführt hatte. An einem Bahndamm liege angeblich eine von ihm dort versteckte Panzerfaust, so Albrecht; da er sich nicht mehr an den genauen Ort erinnere, könne er vor Ort bei der Suche helfen. Tatsächlich aber nutzte der nicht gefesselte Albrecht eine Chance und gelangte nach kurzem Sprint auf das Hoheitsgebiet der DDR, jenseits des Bahndamms.

Während die Sicherheitsorgane in der Bundesrepublik den Fall so darstellten, dass Albrecht in der DDR erwartet worden sei, herrschte ebendort großes Misstrauen. War es eine fingierte Aktion des Bundesnachrichtendienstes, um Albrecht in der DDR oder Nahost als Quelle zu platzieren? In scharfen Verhören versuchten die MfS-Beamten Antworten zu erhalten. Letztlich statteten sie ihn jedoch mit einer neuen Identität aus und ließen ihn nach Syrien ausreisen – nicht zuletzt nach Rücksprache mit Vertretern palästinensischer Organisationen. Hier verliert sich jegliche weitere Spur Albrechts. Für die DDR ist die Ausreise des Rechtsextremisten eine gute Lösung, schließlich berichtete die Presse im Westen über die Flucht und dortige Behörden versuchten, Albrecht nach Westdeutschland zurückzuholen – auch ohne Rechtshilfeabkommen zwischen den beiden deutschen Staaten. Konservative wie linke Politiker instrumentalisierten den Fall Albrecht für ihre Zwecke, Äußerungen der Bundesregierung trugen dazu bei, den Mythos zu nähren.

Trotz intensiver Suche bleibt das Schicksal Albrechts ungeklärt. Dreh- und Angelpunkt ist die kinoreife Flucht in die DDR. Die Vermutung liegt jedoch nahe, so Dr. Schönfelder, dass die Palästinenser mit Albrecht „kurzen Prozess“ gemacht hätten, da er als Helfer in Europa nicht mehr fungieren konnte. Sollte er jedoch noch am Leben sein, wäre der 1940 geborene Udo Albrecht heute ein Greis – und könnte theoretisch seinen Lebensabend unbehelligt in der Heimat verbringen, denn 2019 hat die Staatsanwaltschaft Dortmund die Fahndung nach ihm wegen Verjährung eingestellt.

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