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Die Deutschen und Gorbatschow – “Der Mann hat mein ganzes Leben verändert”

By 3. июня 2022No Comments
Lesezeit: 3 Minuten

Es klingt fast schon wie eine kleine Liebesromanze, was Hermann Wentker zusammengetragen hat: Der Leiter der Forschungsabteilung Berlin des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin hat am Donnerstagabend in der Gedenkstätte Point Alpha sein Buch „Die Deutschen und Gorbatschow – Der Gorbatschow-Diskurs im doppelten Deutschland 1985-1991“ vorgestellt. Natürlich verdankten die Deutschen in erster Linie Gorbatschow die Wiedervereinigung vor nunmehr 32 Jahren. Aber dies sei nicht alleine der Grund, warum die „Gorbi-Manie“ um den „Mann mit den vielen Gesichtern“ eigentlich nur auf die Bundesrepublik und die DDR beschränkt bleibt, analysiert der Referent. „Der Mann hat mein ganzes Leben verändert“, bringt es ein Mann aus dem Publikum im Haus auf der Grenze auf den Punkt.

Zu Gast im Haus auf der Grenze: Historiker und Autor Hermann Wentker.

Zu Gast im Haus auf der Grenze: Historiker und Autor Hermann Wentker.

In Deutschland war und ist der Friedensnobelpreisträger von 1990 ein bewunderter und gefeierter Politiker, der eine ungeheure Wertschätzung genoss und für den man in Dessau zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit sogar ein Denkmal enthüllt hat. Mit „Glasnost“ (Offenheit) und „Perestroika“ (Umgestaltung) läutete der heute 91-Jährige das Ende der Sowjetunion und damit das Ende der DDR ein. Grund genug, in dem letzten Generalsekretär der KPdSU und ersten sowie einzigen Präsidenten der Sowjetunion einen der entscheidenden Figuren zur Beendigung des Kalten Krieges und für den „Wind of Change“ zu sehen.

Zwei unterschiedliche Orte, zwei unterschiedliche Systeme und doch gleichen sich die Emotionen: Bei seinen Besuchen 1989 in Bonn und später in Ost-Berlin gibt es jeweils einen Menschenauflauf. Auf der einen Seite jubeln die Leute dem Friedenstifter zu, auf der anderen Seite feiern die Bürger lautstark den Reformer. Zwar trauen manche Politiker aus dem Westen dem Bauernsohn aus den Vorhügeln des Kaukasus zunächst nicht über den Weg, die Beziehung hat Pausen, Höhen und Tiefen, aber das gegenseitige Vertrauen wächst stetig. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regeln: Die DDR-Führungsriege sieht in seiner Politik der politischen Umgestaltung eine Gefährdung für ihren Machtanspruch.

Point-Alpha-Studienleiter Philipp Metzler.

Point-Alpha-Studienleiter Philipp Metzler.

Annäherung der verfeindeten Blöcke, Entspannung, Abrüstung, Handel oder gemeinsame Strukturen – mit seinen Fantasien versetzt Gorbatschow das doppelte Deutschland in Verzückung. Die Medien haben einen Liebling, die Öffentlichkeit hat einen Helden und hält mehrheitlich bis heute an ihm fest. Als die Point-Alpha Stiftung in 2005 erstmals den Point-Alpha-Preis vergab, waren über 10000 Menschen ins ehemalige „Observation Post Alpha“ gepilgert, um neben dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush sen. und Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl auch Michail Gorbatschow für seine Leistungen für Frieden und Freiheit in Europa zu würdigen.

Das Besondere an Wentkers Arbeit ist der Versuch, sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit exklusiv mit der Sicht der Deutschen aus Ost und West auf Gorbatschow zu befassen, das Bild, das sich von ihm in der deutschen Öffentlichkeit verbreitete. Dabei stützt sich der Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Potsdam auf eine imponierende Fülle an unveröffentlichten und publizierten Materialien, an Aussagen von Experten, Politikern und Medien. Und sogar die Berichte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) hat der Autor akribisch nach Brauchbarem durchforstet. „Entstanden ist ein Werk, das einen wichtigen Beitrag zum Verständnis einer Epoche, in der Deutschland, Europa und die Welt dramatische Veränderungen erlebten“, betonen Point-Alpha-Studienleiter Philipp Metzler und Franz-Josef Schlichting, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, unisono.

Fachsimpelei am Rande: Point-Alpha-Initiator Berthold Dücker (l.) und Dr. Roman Smolorz, ehemaliger Wissenschaftlicher Leiter der Point Alpha Stiftung.

Fachsimpelei am Rande: Point-Alpha-Initiator Berthold Dücker (l.) und Dr. Roman Smolorz, ehemaliger Wissenschaftlicher Leiter der Point Alpha Stiftung.

Jenseits des Eisernen Vorhangs und vor allem im heutigen Russland fällt das Urteil über Gorbatschow indes weitaus weniger wohlwollend aus. In seiner Heimat wird er keineswegs gefeiert. Ihm warf man den wirtschaftlichen Niedergang des Landes vor, der freilich längst vor seiner Zeit begonnen hatte und das in die Auflösung des sowjetischen Reiches führende Chaos. Im von Schlichting moderierten Podiumsgespräch beantwortete Hermann Wentker auch Fragen zu dieser Phase der Zeitgeschichte, und er erläuterte seine persönliche Einschätzung zu Putin und den Ursachen seines brutalen Angriffskrieges in der Ukraine. Zu Beginn hatte Philipp Metzler die interessierten Gäste begrüßt und sich bei der Landeszentrale für politische Bildung für die Kooperation bedankt. Das Buch „Die Deutschen und Gorbatschow“ (670 Seiten, Verlag Metropol, 29 Euro) kann weiterhin über die Gedenkstätte Point Alpha, E-Mail: service@pointalpha.com,  bestellt werden.

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